Vorsicht bei Ökostromangeboten
Umschichtung nur auf dem Papier
Die Notwendigkeit umweltfreundlichen Stroms liegt auf der Hand: Zum einen bewahrt er die Umwelt vor schädlichen Abgasen (aus Kohlekraftwerken etc), zum anderen gefährdet er die menschliche Gesundheit nicht (durch eben diese Abgase, durch Radioaktivität etc). Da wundert es nicht, dass immer mehr Stromanbieter "grüne" Tarife anbieten, in denen sie ihren Kunden umweltfreundliche Elektrizität versprechen.
Leider führt nicht jeder neue Ökostromvertrag zu neuen umweltfreundlichen Kraftwerken. Viele Stromanbieter verteilen ihren Strom nur anders, indem sie Elektrizität aus erneuerbaren Energien, die sie ohnehin schon im Strommix hatten, zu neuen Ökostromtarifen an Ökostromkunden verkaufen. Dafür bekommen Normalkunden eben mehr Strom aus Kohlekraftwerken und weniger aus erneuerbaren Energien, doch die kümmert es ja ohnehin nicht. Somit warb der Energieversorger neue Kunden, ohne tatsächlich mehr grünen Strom zu produzieren. Er schichtete seinen Strom auf dem Papier nur um.
Freilich, eine erhöhte Nachfrage müsste auch mehr Ökokraftwerke nach sich ziehen. Doch der Wunsch nach umweltfreundlichem Strom steigt nicht im großen Maßstab, so dass der bereits erzeugte noch jahrzehntelang die Nachfrage decken wird. Zudem droht bei einem nicht mehr deckbaren Bedarf an Ökostrom die Preisfalle: Ökostrom wird dann teurer als herkömmlicher Strom. Das brächte nicht unbedingt mehr Kraftwerke für erneuerbare Energien, sondern spülte zunächst den Ökostromanbietern mehr Geld in die Kassen. Die Nachfrage hingegen sänke vermutlich.
Ein weiteres Problem steckt in "umweltfreundlichen" Tarifen herkömmlicher Stromversorger. Der Kunde fühlt sich rasch verleitet, es mit dem Stromsparen nicht mehr so genau zu nehmen. Die Elektrizität kommt ja eh aus umweltfreundlichen Kraftwerken. Doch dem ist nicht so, denn jeder Mehrverbrauch wird letztlich durch fossile Kraftwerke gedeckt, da der gesamte Ökostrom ohnehin schon ins Netz eingespeist wurde. Sparen ist also nicht nur des Geldbeutels wegen vonnöten.
Nicht jeder Ökostrom ist übrigens tatsächlich grün. Dank des "Renewable Energy Certificate System" haben Stromerzeuger die Chance, ihre "Ware" neu zu verpacken. Ökozertifikate machen´s möglich. So kauft z.B. ein Stromversorger Elektrizität eines Atomkraftwerks, die er mit dem Öko-Siegel eines Solarkraftwerks adelt. Während der Solarkraftwerksbetreiber die Menge seines verkauften (grünen) Stroms in herkömmlichen umbenennt, darf der Käufer seinen Strom als "Öko" verkaufen. Der nennt sich dann "umweltfreundlich", und ist es doch nicht.
Solche Überlegungen sollen keinen Hinderungsgrund zum Kauf umweltfreundlichen Stroms darstellen, im Gegenteil. Es sei nur angeraten, sich nicht für Ökoverträge normaler Stromanbieter zu entscheiden sondern für "echt grüne" Stromversorger. Die erzeugen ihre Elektrizität nämlich nur durch umweltfreundliche Techniken und investieren auch nur in selbige. Verbraucher setzen damit ein Zeichen und verkleinern den Abgrund zwischen großen, mächtigen, rücksichtslosen Anbietern und kleinen, ökologisch orientierten ein wenig. Jeder Cent, der den Kleinen mehr zum Bau umweltfreundlicher Kraftwerke zur Verfügung steht, fehlt den Großen beim Bau umweltschädlicher Anlagen. Zu hoffen ist, dass dadurch bald auch die Großen ihre Geschäftspolitik überdenken (müssen).
Behielten die Großen ihre Kunden jedoch durch Ökotarife, so könnten sie sich auf den Lorbeeren ausruhen, statt sich weiter für regenerative Energien zu engagieren. So erschiene z.B. der Bau einer Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung schlechter als der bereits angebotene Ökostrom, so dass der Versorger sicher die Finger davon ließe. Der Nutzen für die Umwelt bliebe gleich niedrig - trotz neuer Ökostromkunden.
Garantiert grünen Strom gibt´s z.B. bei Greenpeace oder den Elektrizitätswerken Schönau (EWS).