Vergessene Gewürzkräuter - Wein- und Eberraute

Deutsche Gewürzinseln: Omas Drogenkräuter

Abenteuer Gewürze - Teuflisch gutes Aroma Eberraute

Geschmacksfreuden jenseits von Langweilern wie Petersilie, Schnittlauch und Basilikum
Ein Tipp von Bekannten bescherte zwei völlig neue - alte - Kräuter, die völlig zu Unrecht vergessen wurden. Dabei sind sie hocharomatisch, leicht anbaubar und genügsam.
Beides sind bitter, aber von höchst appetitanregender Wirkung.

Eberraute

Die Artemisia abrotanum ist ein Korbblütler aus Vorderasien, bekannt seit alters her als Heil- und Gewürzpflanze. 
Sie erreicht meist eine Höhe von 30 cm bis einen Meter, selten darüber. Schon wenn man sich in der Nähe aufhält, verspürt man ihren Duft.
Die Blättchen sind klein, manchmal gradezu winzig und feinfiedrig, aber sie lassen sich gut, zwischen Zeigefinger und Daumennagel genommen, vom Stengel abstreifen.
Zwei Kulturtypen kommen vor, eine mit aufdringlichem Zitronengeruch („Zitroneneberraute“) und die strenger riechende („Kampfereberraute“, „Kampferraute“), unsere herzallerliebste, die hier empfohlen sei, denn wer Zitrone mag, nun der kaufe eben diese.
Verwendet wurde sie als Gallen- und Leberheilmittel. Ab dem 9. und 10. Jahrhundert baute man sie in Klostergärten zum Einsatz bei Gelbsucht, Atemnot und bei Magenbeschwerden an.

Auch die Homöopathie zaubert mit ihr herum.
So soll sie bei Abmagerung und Entwicklungsstörungen von Kindern, chronischen Entzündungen, Hauterkrankungen, Rheumatismus und Gicht helfen und ferner auch noch Kerbtierchen fernhalten. Was das nun wieder ist? Insekten auf Neudeutsch.

In England ist sie bekannt als „maiden’s ruin“, also „Jungfernverderb“, wegen der angeblichen Wirkung als Aphrodisiakum.

Nach Nicholas Culpeper ist die Eberraute auch ein wunderbares Mittel gegen männliche Glatzen: "Die Asche der Eberraute, mit altem Salatöl vermischt, hilft allen, denen das Haar ausgefallen ist und die kahl sind, dass das Haar wieder wächst, entweder auf dem Kopf oder am Bart."
Gelegentlich findet man eine atlantische Abart der Pflanze in Gartenmärkten unter der Bezeichnung Cola-Strauch. Die gingen hier allerdings immer über den Winter ein und haben bei weitem nicht den typischen Geschmack. Alles Kräftige ist weggezüchtet.
Vermehrung: Sehr gut über Stecklinge, die man im Glas Wurzeln schlagen lassen kann, und natürlich auch über Samen, hier eine Bezugsquelle. 

WeinrauteWeinraute

Die zweite Gewürzpflanze, die Weinraute (Ruta graveolens), gelb blühend, stammt aus Südeuropa und zählt zur der Gattung der Rauten (Ruta) in der Familie der Rautengewächse (Rutaceae). Einst auch als Heilmittel eingesetzt, ist sie aber heute meist nur als Zierpflanze bekannt, wird aber auch in der Parfümindustrie verwendet oder in Magenbittern, Grappa und ähnlichen Feuerwässerchen sowie im sogenannten Vierräuberesssig, der vier Spitzbuben in Marseille beim Ausplündern von Pestleichen hätte schützen sollen - so hofften sie.
Sie enthält ein stark duftendes ätherisches Öl und lagert an der Blattoberfläche Furanocumarine ein, die bei überempfindlichen Zeitgenossen durch Berührung zu entzündlichen Erscheinungen und Hautreizungen führen könnte. 
In Küche oder Speisekammer aufgehängt, soll sie Ameisen fernhalten. Bloß wer hätte noch eine Speisekammer? Und woher sollte man die Ameisen kriegen?

Nutzung in der Küche

Wie bei der Eberraute passen die Blätter zu Fleischgerichten, zu Eiern, Fisch und Streichkäse, Salat, Soßen und Kräuterbutter, eigentlich zu allem, was auch Butter, Öl oder Fett enthält. Wegen der abtreibenden Wirkung sollten Schwangere das Gewürz meiden, also zumindest solche, die nichts Böses im Schilde führen. In Frankreich ist die Pflanze auch bekannt als „herbe à la belle fille“ – Kraut der schönen Mädchen, so dass sie in den botanischen Gärten mit Gittern vor dem Zugriffe gefallener Mädels geschützt werden musste, womit die Allgegenwart der Sünde bewiesen ist. Hah!
Eine Bezugsquelle von Samen wäre der Eichstätter Samengarten.

Suchtwirkung

Fazit: Beide sind herrliche Gewürze, eine Bereicherung für jede Küche. Bei Männern stellt sich bald eine abhängigmachenden Wirkung ein. Das Herbe, das Bittere, lässt sie wie beim Bier nicht mehr los, hält sie fest im Griff.
Frauen, die meinen, den Richtigen gefunden zu haben, sollten das Gespons damit anfüttern, die Quelle im Garten gut verstecken, auf dass der Kerl sie nicht finde.
Er kann nie mehr abhauen. Er ist süchtig.

Klasse ist es, im Restaurant in die Tasche greifen und was Ordentliches über Salat oder Steak streuseln zu können ... Da schmeckt das wieder.

Grafik: