Biosprit

Umweltzerstörung und Hungersnöte

Ökotreibstoffe als umweltfreundliche Alternative?

Vor einigen Jahrhunderten wäre vermutlich niemand auf die Idee gekommen, Getreide als Antriebsstoff zur Fortbewegung zu verwenden. Seit sich die Menschheit jedoch auf die Suche nach Alternativen zum Öl macht, greift sie auch zu ungewöhnlichen Ideen.

Immer mehr befüllen ihr Auto mit Ökosprit, gewonnen z.B. aus Energiepflanzen. Viele deutsche Bauern säen inzwischen Raps oder Mais auf ihren Feldern an, da ihnen der Verkauf an Kraftstoffhersteller oder Biogasanlagen deutlich mehr einbringt als der Verkauf an Lebensmittelläden. Für sie eine willkommene Einkommensquelle, doch der unüberlegte Trend rächt sich durch steigende Lebensmittelpreise - nicht nur in Deutschland sondern weltweit.
Nicht nur, dass mehr Getreide an Energieproduzenten verkauft wird, sei es nun zur Kraftstoff- oder Stromgewinnung, es stehen zudem weniger Felder zum Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung. Diese Entwicklung findet weltweit statt, während gleichzeitig Schwellenländer wie China oder Indien nach höherem Lebensstandard (und mehr Essen) verlangen. Den Industrieländern schadet das nicht allzu viel, den Ärmsten hingegen schon.

Lange Zeit interessierte sich niemand für Biotreibstoff, bis schließlich die Europäische Union von ihren Staaten einen Biospritanteil von 5,75 Prozent beim Treibstoffverbrauch forderte. Bis 2010 hatten sie Zeit. Deutschland ging das Problem mit einer Steuerbefreiung an, so dass der Anteil vier Jahre vor Fristende bei 4,7 Prozent lag (EU-Spitze). Doch die Bundesrepublik schraubte die Begünstigung zurück und verordnete Dieselbeimischung, was den Trend abbremste. Da fragt man sich, wieso? Bereits jetzt sieht sich die Biodieselbranche in der Lage, jährlich zehn Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Der Emissionshandel wird in den nächsten Jahren vermutlich auch nicht mehr bringen.

Tatsächlich klingt der Begriff Biosprit schön, doch hinter ihm versteckt sich ein Haufen Probleme. Der Treibstoff war als Mittel zur Umweltschonung gedacht, sollte mehr und mehr fossile Brennstoffe ersetzen. Zur Erzeugung verbrennt man Pflanzen (Holz, Mais, Soja …), so dass nicht mehr Kohlendioxid freigesetzt wird, als die Pflanze im Laufe ihres Lebens aufnahm. Als Treibstoffe der ersten Generation bezeichnet man Pflanzenöl, Biodiesel und Bioethanol. Als zweite Generation wird hingegen Kraftstoff der Biomass-to-liquid-Technologie (BTL) bezeichnet. Man gewinnt sie aus raschwachsendem Holz (Weiden, Pappeln …) und Stroh. Dies lässt eine höhere Spritproduktion pro Hektar zu, zudem niedrigere Emissionen.

In Deutschland stellt sich das Problem der begrenzten Anbaufläche. Eine starke Ausweitung brächte Dauergrünland, Moore und Wälder in Gefahr, so dass Verordnungen zum Schutz der deutschen Landschaft erforderlich wären, Gesetze zu Fruchtfolgen und Abgaben für Düngemitteleinsatz. Manche Experten schlagen vor, die Anbaufläche nur zu verdoppeln, auf 3,2 Millionen Hektar. Vermutlich vermag die Nutzung von Energiepflanzen (sowohl durch Anbau als auch durch Verbrennung von "Abfällen") bis 2030 nur ein Zehntel des deutschen Primärenergiebedarfs decken. Zweifelhaft ist, ob die EU-Forderung von zehn Prozent Biosprit bis 2020 erreicht wird - sofern die Pflanzen nur in der BRD angebaut werden.

Beim Anbau in anderen Ländern kommen die Probleme noch heftiger. Man spricht schon von der "grünen Opec" aus Ländern wie Kamerun, Mali, Äthiopien. Sie haben die geografischen Bedingungen zum Anbau von Energiepflanzen, die Europäern mangeln. Ihnen fehlen allerdings die Flächen, so dass die Bauern auf makabere Lösungen verfallen: Da bei Profitmöglichkeiten selten auf die Umwelt geachtet wird, wird Regenwald zum Anbau von Energiepflanzen abgeholzt. Sinnigerweise entsteht durch die Abholzung so viel Kohlendioxid, dass das Entwicklungsland Indonesien inzwischen zum drittgrößten CO2-Ausstoßer der Welt aufstieg. Gerade an Standorten der Regenwälder gedeihen Ölpalmen prächtig. Doch auch Soja ist ein Hauptgrund zur Regenwaldzerstörung (Amazonasgebiet). In Brasilien hört man von Sklavenarbeit auf den Plantagen der Ehtanol-Hersteller.

Da Käufer Pflanzen für Biotreibstoff teurer bezahlen als solche zur Nahrung, verkaufen natürlich viele Bauern ihre Erzeugnisse an Treibstoffhersteller. Dadurch verkürzt sich die Menge von Lebensmitteln auf dem Markt, die dadurch besonders für Einwohner armer Länder unerschwinglich werden. Die Folge? Hunger und Aufstände. Doch angesichts der höheren Zahlungskraft der Industriestaaten werden die Bedürfnisse des eigenen Volkes schon mal vergessen.
Da lässt sich fragen, ob die bösen Folgen des Biotreibstoffes (für Mensch und Umwelt) den Umweltnutzen nicht aufheben? Ob er nicht mehr Schaden anrichtet, als er verhüten soll? Tatsächlich lösen Biotreibstoffe das Problem Klimawandel und Umweltzerstörung nicht, sondern verstärken es nur noch. Wer "grünen Sprit" tankt, wird sich möglicherweise noch öfter ins Auto setzen als zuvor, denn: Er schadet der Umwelt ja nicht. Statt unser Verhalten zu überdenken, wird es noch gefestigt - wobei es doch so einfach (und gesund!) wäre, einfach mal mit dem Rad zu fahren.

Statt Biomasse in Treibstoff umzuwandeln, ließe sie sich auch zur Wärme- und Stromproduktion nutzen. Dadurch entstünde bis zu dreimal mehr Energie, was eine deutlich effektivere Nutzung bedeutete.

Verstärkung des Treibhauseffektes und Gefahr für Fische und Flüsse

Würde man ein Zehntel des Diesels und Benzins durch Ökotreibstoffe ersetzen, so benötigte man dafür 38 Prozent der europäischen und 43 Prozent der US-amerikanischen Landwirtschaftsfläche. Solch große Kapazitäten sind nicht mehr frei, weshalb Wiesen und Wälder zu Äckern werden müssten. Man bedenke: Allein für zehn Prozent Kraftstoffersatz. Die Berechnung (Quelle: Universität Leeds) bezieht sich auf eine Zeit von dreißig Jahren. Würde man in diesem Zeitraum die Fläche aufforsten, statt dort Energiepflanzen anzubauen, so brächte dies eine zwei bis neun Mal höhere Kohlenstoffbindung. Angesichts dessen ist die CO2-Bilanz von Ökosprit schlechter als die von Ölprodukten.

Das zeigt auch eine andere Berechnung: Ein Liter Rapsdiesel erzielt einen 1,7-mal höheren Treibhauseffekt als ein Liter normaler Diesel. Aus Mais gewonnener Alkohol, besonders in den USA beliebt, trägt fünfzig Prozent mehr zur Klimaerwärmung bei als gewöhnliches Benzin. Zu verdanken sind diese Werte dem Anbau, bei dem häufig Dünger mit Stickstoff in Einsatz kommen. Daraus dampft Lachgas aus, was einen dreihundert Mal (!) höheren Treibhauseffekt hat als CO2. Eine umweltfreundliche Bilanz hat einzig Zuckerrohrsprit, da der Anbau fast ohne Dünger auskommt.

Weitere Probleme: Verarmung der Böden, wachsende Verwendung von Genpflanzen, hoher Wasserverbrauch zum Anbau … Banales Beispiel für die weitreichenden Folgen: Beim Anbau von Mais (der später zu Biosprit wird) werden die Flüsse mit Nitrogen verseucht. Einige münden in den Golf von Mexiko, wo sich Algen bilden. Deren Absterben benötigt Sauerstoff, der wiederum Fischen mangelt.

Leider trügt der Begriff "Biosprit", denn er ist keineswegs so umweltfreundlich, wie das Wort "Bio" glauben macht. Im Gegenteil stellt er eine große Bedrohung für Mensch und Umwelt dar - wie groß, wird sich vielleicht erst in einigen Jahren zeigen.