Chemikalien

Europäische Chemikalienindustrie

Chemikalienrecht der EU - Neuordnung

Unseren Vorfahren in grauer Steinzeit waren gesundheitsgefährdende Chemikalien vermutlich gänzlich unbekannt. Doch im Zuge ihrer Erfindungen und Experimente stieß die Menschheit immer wieder auf neue Stoffe, die sich toll einsetzen ließen. Leider stellte sich etliche Jahre (oder Jahrzehnte) später heraus, dass diese die Gesundheit heftig angriffen. Aus Schaden wird man klug, und so prüft nun eine EU-Behörde die Schädlichkeit verschiedener Industriechemikalien. Verbraucher sollen dadurch vor giftigen Stoffen in Deos, Unterhosen, Schuhen etc geschützt werden.

Das EU-Vorhaben nennt sich "Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals", kurz Reach, zu Deutsch "Registrierung, Bewertung und Autorisierung von Chemikalien". Seit Juni 2008 arbeiten hunderte Mitarbeiter aus ganz Europa an diesem Projekt, das etwa dreißigtausend Stoffe untersucht. Neunzig Millionen stehen ihnen jährlich zur Verfügung. Sitz der Behörde ist die finnische Hauptstadt Helsinki.

Diese Europäische Chemikalienagentur trifft die Entscheidung über Verbot oder Erlaubnis nicht, sondern liefert den Technischen Komitees nur Vorschläge. Diese wurden mit sechzig Experten der EU-Länder besetzt, die nur als Wissenschaftler handeln dürfen.

Auf 1200 Seiten hielt die Europäische Union eine Neuordnung des Chemikalienrechts fest. Sie verpflichtet die Industrie zur Prüfung der von ihr verwendeten bzw. hergestellten Stoffe, sofern die Produktion bzw. Einfuhr eine Tonne jährlich überschreitet. Innerhalb eines Jahrzehntes sollen dadurch Substanzen ausgemerzt werden, die Krebs erregen, Sperma schädigen, das Grundwasser belasten etc.

Leider lässt sich die Schädlichkeit oft nicht eindeutig feststellen. Ab welcher Dosis schadet ein Stoff? Welches Risiko wird in Kauf genommen? Sollen auf Verlangen vieler Umweltschützer alle bedenklichen Substanzen aus dem Verkehr gezogen werden oder soll man der Industrie Glauben schenken und sich nicht so anstellen? Die Diskussion wird bei vielen Substanzen erfolgen, und vermutlich wird die Regierung - wie so oft - dem Mächtigeren Gehör schenken. Doch ob damit der guten Sache gedient ist?

Die europäische Chemieindustrie weist einen Jahresumsatz von 550 Milliarden Euro auf, woran natürlich entsprechend viele Arbeitsplätze hängen - ein mächtiges Druckmittel. Da möchte man gern ein Auge zudrücken und die Gesundheitsgefahr als nicht so hoch einstufen.
2,3 Milliarden Euro wird die Industrie vermutlich für Reach ausgeben müssen. Das Geld holen sie natürlich anderswo wieder rein, wenn sich die Gesundheit der Arbeitnehmer tatsächlich durch Verbot etlicher Substanzen verbessert.