Bruttoinlandsprodukt

Soziale Wohlfahrt statt Gewinninteresse

Schwindel der Wachstums-Verherrlichung

Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit, Skrupellosigkeit
Das Bruttoinlandsprodukt fasst zusammen, was im Staat bezahlt, verkauft und hergestellt wird. Je höher das BIP, desto besser für die Wirtschaft, denn desto mehr wurde eingenommen. So versuchen Politiker und Wirtschaftsgrößen seit Jahrzehnten, der Bevölkerung weiszumachen, wie sehr das BIP zu ihrem Wohlbefinden beitrage. Doch jeder wird's schon bemerkt haben: Die abstrakte Zahl selbst ändert an der eigenen Stimmung eigentlich nichts, sondern nur die Fakten, die dahinterstecken. Doch die stimmen eher traurig.

Umweltzerstörung wird durch das BIP als gut bewertet, denn je billiger die Firmen produzieren, desto höher ihr Gewinn. Außerdem wächst das BIP, wenn z.B. mehr Menschen Auto fahren statt Fahrrad oder mehr Produkte kaufen - selbst wenn sie sie am nächsten Tag wieder wegwerfen.
Gesellschaftliche Ungerechtigkeit kommt nicht zur Sprache, d.h. ob der höhere Gewinn nun der ganzen Bevölkerung zugute kommt oder nur einigen tausend, spielt keine Rolle. Und auch Unglücksfälle wie Unfälle sind prima, denn dadurch bekommen die Krankenhäuser etwas zu tun, die Therapeuten, ggf. die Automechaniker, manchmal auch der Bestatter …

So immens wichtige (Dienst-)Leistungen wie Kindererziehung, Nachbarschaftshilfe oder Altenpflege werden im BIP ganz vernachlässigt, sofern sie nicht bezahlt werden. Ein unentgeltlicher Gefallen taucht darin ebenfalls nicht auf, obwohl jeder weiß, dass gerade er den ganzen Tag über glücklich stimmen kann.

Seit den Siebzigern ist das Bruttoinlandsprodukt in Industrieländern stark gewachsen - gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit auf das Vierfache ihres vorherigen Wertes. Das BIP sagt also nichts über das Wohlergehen der Bevölkerung aus, sondern rechnet hauptsächlich die Leistungen zusammen, die die Menschen unglücklich machen.
Dennoch erwarten viele den Tag mit Spannung, an dem verkündet wird, dass das diesjährige BIP das des Vorjahres überstiegen hat. Wirtschaftswachstum wird mit Wohlbefinden gleichgestellt.

Einen besseren Schlüssel zur Bestimmung des Wohlergehens hat ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes unter H. Diefenbacher und R. Zieschank ermittelt, den Nationalen Wohlfahrtsindex. Bei ihm spielt z.B. die Verteilung von Vermögen und Einkünften eine Rolle, ebenso wie häusliche und ehrenamtliche Arbeiten. Die Kosten der Umweltschäden werden abgezogen.
Das Ergebnis sieht anders aus als der Verlauf des BIP, entspricht dem Gefühl der Bevölkerung aber eher. Ungefähr zur Jahrtausendwende hatte der Wohlstand in der BRD den Höhepunkt erreicht. Seither sank er stetig, was z.B. am stets ungerechter verteiltem Geld liegt. Außerdem überwiegen die Nachteile des Wachstums die Vorteile inzwischen. Und tatsächlich kann kaum jemand sagen, er sei in den letzten Jahren glücklicher geworden.

Ebenso wurde die Wachstumsverherrlichung von klugen Köpfen längst in Frage gestellt. Auf die Arbeitnehmer wirkt es sich oft nur durch eine größere Belastung und mehr Überstunden auf. Wohlergehen und Umweltschutz hingegen werden dadurch meist verschlechtert. Doch damit diese Illusion niemand entlarvt, wird weiter Wert aufs BIP gelegt.

Experten fordern mit Recht einen neuen Maßstab, der nicht nur die Gewinninteressen einzelner widerspiegelt, sondern tatsächlich Aufschluss über die Stimmung in der Bevölkerung und über die ökologische Zerstörung gibt. Schließlich sollte kein Index es als gut bewerten, wenn einige Reiche auf Kosten vieler Armer und auf Kosten unserer Erde leben.

 

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