Alles Käse
Schwarzwaldmilch - Rückfall in die Sünde?
Die Schwarzwaldmilch, ex-Breisgaumilch, ist mal wieder wegen mangelnder Transparenz am Kunden in der Kritik.
Ende letzten Jahres erklärte der damalige Geschäftsführer auf die Frage nach künftigen Plänen, man wolle Käse in Lohnarbeit in Bayern von bis dato ungenannten Profis herstellen lassen und dazu die Milch hier einsammeln, nach Bayern verfrachten und sie dort zu Käse verarbeiten. Nach Reifung kehre sie dann zurück. Das alles sei im Einklang mit den Bioland-Richtlinien.
Er versprach ausdrücklich, auf der Verpackung zu verdeutlichen, dass die Milch von Kühen aus dem Schwarzwald stamme; sie werde halt nur von Käsereifachleuten verarbeitet. Soweit, so gut, wenn die Sache dem Kunden gegenüber durchsichtig ist.
Aber: In Winzschrift ist auf der Rückseite von einem „Partnerunternehmen“ die Rede, dessen Identität und Ort ungenannt bleiben. Hinter dem gesetzlich vorgeschriebenen Identitätskennzeichen BY 70576 auf der Verpackung des "Bio-Käses" steht die Albert Herz GmbH in Kimratshofen, unweit von Kempten im Allgäu. Das ist aber nur der Abpackbetrieb, dem der Käse von der "Allgäu Milch Käse Genossenschaft" am gleichen Ort geliefert wird, nicht aber die Käserei. obwohl gemunkelt wird, dass die Firma selbst auch den Käse herstelle. Erklärung der Molkerei: „Für einen Verbraucher zählen die Produktqualität, die Zutaten und Rezeptur in erster Linie – der exakt gelegene Produktionsstandort ist nachrangig.“
Rechtlich ist das alles nicht zu beanstanden, aber ist sie dem Kunden durchsichtig?
Der Verbraucher - dieses Schaf - glaubt aber ein regionales Erzeugnis, Käse glücklicher Schwarzwaldkühe, das in Gänze lokal hergestellt wurde, zu erstehen, denn das will er bei dem netten Markenzeichen mit Bollenhut, Schwarzwaldtal und Höllentalhirsch, zumal die Molkerei intensiv mit der Regionalität ihrer Produkte wirbt. Das ist so wie mit der lokalen Brauerei, die ja auch für ein Stück Heimat und Bodenständigkeit steht. Dabei schwebt ihm natürlich auch eine akzeptable Ökobilanz vor, von der aber kaum die Rede sein kann, denn die Milch bzw. der Käse ist 450 km hin und zurück unterwegs.
Aus Breisgau- wird Schwarzwaldmilch
Wie der Südwestrundfunks erstmals berichtete, fiel die damals noch unter dem Namen Breisgaumilch tätige Molkerei bereits in der Vergangenheit unangenehm auf, weil sie aus dem Allgäu stammende Milch und Butter als eigene in den Verkehr gebracht hatte. Damals entschuldigte sich die Molkerei nach ziemlichem öffentlichen Aufruhr gegenüber den Kunden, erklärte, es habe sich um einen "handwerklichen Fehler" - nicht um bewusste Verbrauchertäuschung - gehandelt. Alle nicht im eigenen Haus hergestellten Produkte, der Sauerrahmbutter, Buttermilch, Frischkäse, Schichtkäse sowie die Kaffeesahne wurden im Handumdrehen vom Markt genommen und an Vereine, die sich um Bedürfige kümmern, verschenkt.
Vermutlicher Grund für die Täuschung der Verbraucher: Mangelnde Auslastung einer neuen Buttermaschine. Aufgrund der heftigen öffentlichen Kritik wurde dann aber doch eine neue, eigene, in Gang gesetzt, denn es gab bereits eine Vorläuferin bis 2006.
Trotz der Empörung hielten die Kunden der Molkerei die Stange. Immerhin schien die Molkerei den Imageschaden für so gravierend zu halten, dass sie sich in Schwarzwaldmilch umbenannte.
Bioland-Schmuh
Schwerer wiegt aber Folgendes:
Vertrieben wird der Käse unter der Flagge von "Bioland", wo normalerweise strenge Auflagen gelten. Sollte man zumindest denken, denn deswegen kaufen die Kunden die so ausgezeichneten Waren ja. Sie wollen "Bio". An jeder Packung verdient Bioland als Lizenzgeber mit, so dass die Versuchung naheliegt, mal gelegentlich ein Auge zuzudrücken, womit der Verbraucher aber betrogen wird.
Wie die Molkerei auf Nachbohren der Freiburger Wochenzeitung "Der Sonntag" aber eingestand, darf sie den Käse aber nur dank einer Ausnahmegenehmigung von Bioland unter deren Siegel vertreiben.
Grund: Käsereien unterscheiden zwischen höherwertiger "Heumilch", von Kühen, die ganzjährig Grünfutter erhalten, und "Silomilch", von Tieren, die Silage, also vergorenes Gras, erhalten. Dieses enthält mehr Keime und sporenbildende Clostridien, die sich besonders unter Luftabschluss vermehren, Buttersäure erzeugen und bei der Hartkäseherstellung zu unerwünschten Blähung des Käses in der Reifephase führen. Der Käse kriegt große Löcher.
Dem hilft nur ein Zentrifugieren oder Mikrofiltrieren ab. Allgemein sind selbst Konservierungsstoffe zur Verhinderung von Spätblähungen bei Schnitt- und Hartkäsen gestattet: E = 251 Natriumnitrat, E = 252 Kaliumnitrat und E 1105 = Lysozym, die noch nicht mal kennzeichnungspflichtig, nach Bioland-Richtlinien aber verboten sind.
Die Umgehung dieses Verbots erläutert die Molkerei gegenüber der Zeitung unter flockiger Marketing- und Verschleierungspoesie so:
„Aufgrund unseres besonderen Konzepts, das die natürlichen Gegebenheiten des Schwarzwalds miteinschließt, haben wir von Bioland eine Ausnahmegenehmigung erhalten“.
Klartext: Im Schwarzwald kriegen die Kühe rund ums Jahr eher Silofutter denn Gras und Heu. Die Milch wäre somit nicht hochwertig. Dabei scheint der Schwarzwaldmilch ein besonderer Coup gelungen zu sein, denn es ist unbekannt, dass anderen Bioland-Käsereien im Schwarzwald ähnliches erlaubt worden wäre.
Bioland nimmt so dazu Stellung: "Von der Schwarzwaldmilch GmbH werden bei der Herstellung von Bio-Bergkäse die für Bergkäse gesetzlich zulässigen physikalischen Verfahren der Baktofugation (mechanisches Verfahren zur Reinigung der Milch von Bakterien und Sporen, das bei bestimmten Käsegruppen verwendet wird) und Pasteurisation angewendet. ... Die Bioland Vorgaben verlangen nicht, dass Bergkäse ausschließlich aus Heumilch produziert wird. Die Käsereien kennzeichnen ihre Produkte mittlerweile mit Bezeichnungen „aus Heumilch" und/oder „aus Rohmilch", um auf diese Besonderheit hinzuweisen. Diese freiwillige Kennzeichnung beschreibt eindeutig die Qualität des Herstellungsverfahrens. Auch Bioland spricht sich für diese eindeutige zusätzliche Kennzeichnung aus. Bioland ist der einzige Bio-Verband, der für die Herstellung von Bergkäse bisher das Erhitzen der Rohmilch und die Baktofugation ausgeschlossen hat. Dies schreiben weder andere Bio-Verbände noch gesetzliche Regelungen für die Bezeichnung „Bergkäse" vor. Die genannten physikalischen Verfahren sind inzwischen gängige Praxis für konventionellen als auch für viele Bio-Bergkäse aus dem In- und Ausland, die ausschließlich als Bergkäse bezeichnet werden.
Aufgrund dieser uneinheitlichen Situation der Kennzeichnung für Bergkäse hat Bioland eine Überarbeitung seiner Vorgaben veranlasst, die noch nicht abgeschlossen ist. Bioland spricht sich für die genannte zusätzliche eindeutige Kennzeichnung „aus Rohmilch“ oder „aus Heumilch“ aus, um dem Verbraucher damit Klarheit zu verschaffen."
Fazit: Auch bei der ganzen Biobergkäseerzeugung wird vermutlich die Baktofugation (Zentrifugieren) erlaubt werden, um genügend Biokäse herstellen zu können. Ferner lernt man, dass der Biolandbiobergkäse Käse ist, denn er braucht ja gar nicht aus Heumilch hergestellt zu werden.
Überschäumende Biomilch
Warum überhaupt Schwarzwaldbiokäse? Käse gibt´s genug, könnte man denken. Nun, das liegt daran, dass die marode Ravensburger Omira-Molkerei sich 2013 "gesundgeschrumpft" hatte und viele Bio-Bauern nunmehr bei der Schwarzwaldmilch gelandet waren, die sich wegen des Überschusses somit ein Vermarktungsproblemchen eingehandelt hatte. Das erklärt auch, warum der "Bio-Bergkäse" ziemlich günstig im Handel angeboten wird, rund 3,50 für 200 gr. Es gibt also einen Überschuss an Milch bei der Molkerei, die über den Käse weggedrückt werden soll.
Omira war auch klasse: Der Verein verkaufte holländischen Käse als „Bodenseekäse“. Vorbild für die "Schwarzwaldmilch"? Die scheint noch nicht mal so richtig zu wissen, was in ihrer Milch steckt bzw. damit herausrücken zu wollen ...