Der Agrokalypse fehlt die Sanokalypse
Enttäuschendes Aufwärmen bekannter Inhalte
Marco Keller liebt Soja, drum hat er mehrere Filme darüber gemacht. Die Vorabpremiere des letzten unter dem vielversprechenden Titel "Agrokalypse" über den Sojanabau in Brasilien enttäuschte. Vielversprechend war der Film in der Lokalpresse als "Ein Steak und seine Folgen" angekündigt gewesen. Trotz der großen Hitze von 34 Grad im Juli war das Kino bis auf den letzten Platz gefüllt, so dass einige Leute abgewiesen werden mussten. Das Thema interessierte also brennend. Die Filmbesucher wollen wissen, was auf dem Teller landet und mehr, aber letzlich ist ihnen nichts entgangen.
Wer sich mit dem Thema Soja, Roundup bzw. Glyphosat, Lateinamerika, Fleischkonsum in Europa usw. befasst hat, erfährt nichts Neues. Der Film beschränkt sich völlig auf die Gegebenheiten in Brasilien und die Auswirkungen auf die Indios. Da gibt es andere und auch bessere Filme, die über den steakgefüllten agrokalyptischen Tellerrand schauen können und z.B. auch die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Landbevölkerung dokumentieren, Verkrüppelungen, Debilität usw.
Die Versatzstücke sind ewig gleich, es gibt nichts, was man nicht kennte:
Hie die armen Indios, Landbesetzungen, Einkesselung ihrer Dörfer von Sojafeldern der Konzerne und vergiftete Umwelt, dort die reichen Landräuber und Konzerne und das große Geschäft, Frachter, Schweinetransporter, der Schlachthof von Tönnies, fertig. Einige Szenen wurden anscheinend von anderen Filmen Kellers eingeflickt: „Kahlschlag – Der Kampf um Brasiliens letzte Wälder“ und "Gutes Soja, schlechtes Soja". Das Augenmerk lag einfach auf sozialen Auswirkungen.
Indianer - Kinder der Regierung
Neu war lediglich, dass die Indianer bislang unter der Fuchtel der Regierung stehen, und zwar mittels eines "Vormundschaftsgesetzes", das sie zu Bürgern zweiter Klasse macht und dass diese Geschichte erst jetzt aufgehoben werden kann. Voraussetzung: Man muss individuell einen neuen Personalausweis beantragen, der natürlich eine Kleinigkeit kostet. Diese Art von Gleichstellung hatten die USA immerhing schon 1936 geschafft, ihre Indianer dafür aber auch schön in den Reservaten unter Kontrolle gehabt, während in Brasilien doch noch so viel von ihnen zu holen war.
Dass die "Regierung" keine Regierung für alle, sondern eine Clique von Großgrundbesitzern und Interessenvertretern der Konzerne ist, eher eine Verbrecherbande also, jedenfalls was die Provinz Mato Grosso do Sul betrifft - blitzte zwar auch auf, ist aber auch bekannt.
Anders als in anderen Filmen wirkte hier auch ein Tofu-Produzent aus Freiburg mit, der einen Teil seiner nicht genveränderten Sojabohnen in Brasilien anbauen lässt aber auch eingestehen muss, das die Bohnen durch die umliegenden Produzenten per Windtrift immer wieder zuviel Gift abkriegen und über den "Grenzwerten" lägen. Welchen? Deutschen oder brasilianischen? Warum braucht man "Grenzwerte" bei Soja, einem Lebensmittel? Einen anderen Teil seiner Bohnen bezieht er immerhin aus der Region hier. Bei der anschließenden Diskussion nach Ende des Films und einer Wortmeldung über die gesundheitlichen Folgen sowie auch tatsächlich über Botulismus hierzulande zucken die Filmemacher mit den Achseln - noch nie gehört - würgen das Thema ab und schlagen vor, doch über den Film zu diskutieren.
Ja, gut, aber das ist leider nicht viel zu diskutieren.
Dabei waren die giftigen Auswirkungen des Glyphosats bzw. von Monsantos Roundup doch grade ein heißes Thema, weil die Süddeutsche Zeitung grade enthüllt hatte, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung Leserbriefe von Monsanto-Mitarbeiter herangezogen hatte, um zu beweisen, dass das Gift keinen Krebs nach sich ziehe.
Aber davon wissen die glücklichen Filmemacher nichts.
Wer sich schlau machen will, und auch grade über die Folgen hierzulande, muss daher hierhin oder auch zu Amazon gehen.