Ökokatastrophe am Mississippi

Asiatische Silberkarpfen verpesten Ökosystem

Gefährliche Gewässervernetzung in Nordamerika

Verheerende Auswirkungen auf die Fluss- u. Seenlandschaft in den USA und Kanada
Ein Pferd sollte man nicht mit einer Kuh verheiraten, denn das Ergebnis wäre zweifelhaft. So auch die "Verheiratung" zweier unterschiedlicher Ökosysteme.
In Nordamerika bestehen zwei große Wassersysteme: Mississippi und der St.-Lorenz-Strom.

In den Achtzigern begannen Fischzuchtbetrieben am Mississippi mit der Einfuhr des asiatischen Silberkarpfens, um die Becken von unliebsamem Bewuchs zu säubern. Ein voller Erfolg, aber durch die Überschwemmungen entkamen auch Exemplare und besiedelten nach und nach Amerikas größten Strom sowie seine Nebengewässer. Der Fisch verdrängt nun rigoros die heimische Planzen- und Tierwelt in den Flüssen, ist ungemein fruchtbar (500.000 Eier pro Jahr) und verändert dadurch den Ernährungskreislauf von allen anderen Arten.
Heimischen Fischarten wird das mittelgroße Plankton weggefressen, kleines vermehrt sich, was zu Algenblüte und zum Verschwinden dieser Fischarten führt , denn wegen der Wassertrübung, können sie ihr Futter nicht mehr sehen. Das Wasser nimmt eine grüne Färbung an, aber Regenbogenforellen und Lachse müssen ihr Futter gut erkennen können.
Die Tiere beeindrucken durch ihre Größe, denn sie werden über einen Meter lang und können Schwimmer und Bootsfahrer verletzen, da sie bis zu drei Meter aus dem Wasser schießen, so dass sich viele Erholungssuchende nicht mehr ins Wasser trauen. Springen tun sie beim kleinsten Schrecken - es reicht ein Baumzweig, der in Wasser segelt - was völlig verrückt aussieht. Da gibt es Passagen in den Flüssen, wo es nur so hüpft und springt. Insofern ist das Einzugsgebiet des "Ol´ Man River" verloren. Auf einen Kilometer zählt man 4000 Fische von insgesamt acht Tonnen Gewicht.
Als Nahrungsmittel taugt der Karpfen wegen seiner Gräten wenig, es sei denn, irgendeine Bratklopserei würde ihn zu "Fischnuggets" verarbeiten, kriegen Amerikaner ja schon die Krise, wenn ein Fisch mit Kopf auf den Teller käme, geschweige denn mit Gräten.

Auf nach Nordosten - Zielstrebige Wanderung zu den Großen Seen

Nun geht es weiter Richtung Große Seen und damit auch dem St.-Lorenz-Strom.
Wie das? Nun, die Wasserscheide liegt auf einem sanften Höhenrücken westlich von Chicago. Dort wurde kurz 1889 zunächst ein kleiner Kanal gegraben, später ein größerer, der "Chicago Sanitary Ship Canal", um die Fließrichtung des Illinois Rivers, der bei der Stadt in den Michigan-See mündete, umkehren zu können. Dies weil der Dreck, insbesondere aus den Schlachthöfen, das aus dem See gewonnene Trinkwasser bedrohte. Man befürchtete Cholera u.a. Epidemien. Chicago war DER Schlachthof des Landes, denn hier endeten die Prärien, und das Vieh wurden hierhingetrieben bzw. später per Bahn angekarrt. Lesetipp zu den Verhältnissen in den Schlachthäusern ist der Klassiker Upton Sinclairs, "Der Dschungel", ein Buch, das zu einem Riesenskandal führte und die Gesundheits- und Arbeitsbehörden zum Eingreifen wegen der unhygienischen Verhältnisse zwang. Den Amis war der Fleischverzehr durch die Schilderungen Sinclairs, der sich in bester Günter-Wallraff-Manier als Schlachthausarbeiter verdungen hatte, eine Weile vergangen.
Der Illinois River entwässert also nun über einen weiteren Fluss bzw. den Kanal in den Mississippi. Zwei völlig getrennte Ökosysteme wurden derart miteinander verbunden. Und über den Kanal steigen nun die ersten Fische auf. Schon wurden vereinzelte Exemplare darin gefunden.

Phantastische Pläne zur Abhilfe

Es wird erwogen, den Kanal zu trennen und die Schiffe ein Stück über eine Brücke zu befördern. Aber das bedeutet, eine Riesenmenge an Gütern, Öl, Kohle, Getreide, Stahl, insgesamt 600 Mill. jährlich und damit 15.000 Frachtkähne und 400-500 Güterschiffe, aus dem Kanal hieven, verschieben und wieder zu Wasser lassen zu müssen. Rund 100.000 Beschäftigte hängen vom Kanal ab. Somit ist diese Lösung in einem Land, wo "Jobs" alles sind, die Politik auf nichts mehr schielt als das, egal welcher Mist produziert wird, kaum durchsetzbar.
Manche sehen die Rettung in einer elektrische Sperre, die in Romeoville, Illinois, 50 km südl. des Michigansees, eingerichtet wurde. Andere Phantastereien: Ausbringung von Mikropartikeln, die sich in den Kiemen festsetzen und mit allen möglichen Substanzen versehen werden könnten, um den Fischen den Garaus zu machen.
Man schätzt, dass zehn Rogner und Milchner reichen, um den Eerie- oder Michigan-See zu verseuchen. Letzlich wird man sich alles Mögliche als Sperre überlegen können, aber irgendwann wird ein "Spaßvogel" bzw. Idiot, der meint, im Leben zu kurz gekommen zu sein, einfach Karpfen oder Laich in den See setzen. Aus Rache an der Gesellschaft, aus Hass, was auch immer. Man denke mal an die ganzen Gelbwangenschildkröten u.a. in unseren Gewässern. Erst kürzlich zog ein Angler einen Piranha aus einem See im lothringischen Sankt Didel (Saint-Dié), der von einem Gartencenter in der Nähe stammte. Eine hübsche Vorstellung im Bodensee. Das wird Nachahmer finden. Ganz gewiss.

Gegenschlag des Ol´Man Rivers

Ist die Geschichte vielleicht die Rache des Mississippis am St.-Lorenz? Die Zebramuschel sowie das Meerneunauge gelangten nämlich schon früher binnen 25 Jahren vom St. Lorenz im Nordosten bis in den Golf von Mexiko und verseuchen das Mississippi-Ökosystem.