Lebenskraft aus Harn
Warum wir Tunesien kaufen sollten
Phosphat Teil I. Hier geht´s zu Teil II, Biomumien
Bei der Suche nach dem "Stein der Weisen", einem Stoff der Metalle verwandeln konnte, hantierte der Hamburger Apotheker und Alchemist Hennig Brandt 1669 auch mit dem Urin von Schweinen. Wegen der goldgelben Farbe, vermutete er Gold darin bzw. einen Stoff, der zumindest erlaubte, dieses herzustellen.
Alchemisten - Scharlatanerie aber auch Entdeckungen
So dickte er den Urin ein und fand Phosphor, eine Substanz, die bis dato noch nie jemand gesehen hatte. Nach Abkühlen blieb ein wachsartiger, blasser Feststoff, der sich durch eine heftige Verbrennung auszeichnete. Er nannte den Stoff Phosphorus, "Lichtbringer", der später massenhaft zur Fabrikation von Zündhölzern gebraucht wurde. Der Cowboy, der das Streichholz an seiner Ledersohle entflammt, nun, der benutzt noch ein echtes Phosphorstreichholz.
Damit war das erste Element in der Chemiegeschichte der Neuzeit gefunden.
Eine spätere Verwendung, und das ist vielen negativ im Gedächtnis, bekam der Phosphor in Bomben. Lüneburg war das "Versuchskaninchen" der Engländer, die es wegen seiner vielen Fachwerkbauten wählten. Ziel war die Entfachung eines Feuersturms, gefolgt von Sprengbomben, die den Rest erledigten, ein Prinzip, das auch bei der Bombardierung Dresdens Anwendung fand.
Wir sind Phosphor
Aber Phosphor ist viel mehr als ein Brandbeschleuniger. Er steckt in allen Lebewesen. Wir "sind" Phosphor, es steckt im Hirn, in unseren Knochen, überall. Würde er uns ausgehen, so wäre unser Überleben fraglich, also ganz anders als beim Erdöl, für das Ersatzstoffe oder Methoden gefunden oder entwickelt werden können.
Phosphor kommt im Phosphat vor, aber alle Vorkommen sind bekannt, selbst wenn keine genauen Mengen von den exportierenden Ländern bekanntgegeben werden. Phosphor ist als echtes chemisches Element weder ersetztbar noch, wie alle anderen Elemente auch, künstlich herstellbar.
Dünger
Massenhaft verbraucht wird Phosphat in der Landwirtschaft als Dünger. Eine regelmäßige und massenhafte Düngung mit Mineralphosphat, Stickstoff und Kali ermöglichte die grüne Revolution, verzehnfachte die landwirtschaftliche Erzeugung und Massenproduktion von Lebensmitteln.
Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, in Nordamerika schon früher, setzte eine massive Düngung ein, die zu einem abnormen Bevölkerungswachstum führte. Während ein Bauer einst vier Personen ernährte, sind es heute 150. Deutschland erlebte seine Motorisierung der Landwirtschaft erst in den Fünfziger Jahren, womit dann auch der Kunstdünger Einzug hielt.
Vom Kreislauf zur Einbahnstraße
Während das Phosphat bis ins 19. Jh. einen natürlichen Kreislauf bildete, nämlich als Mist ausgestreut den Boden düngte, in Pflanzen und Vieh verschwand, also landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wieder ausgeschieden, kompostiert und abermals in Form von Dünger verwendet wurde, existiert heute nur eine Einbahnstraße. Selbst die Städte versorgten sich früher im Umland, denn eine Kühlung oder eine sonstige nennenswerte Konservierung von Lebensmitteln gab es nicht. Nicht zu vergessen: Die Bauern, das Land, holte die Abfälle wieder von den Städten ab, verwertete sie und zahlte. Der "Abfall", alles Organische, was bei der Lebensmittelzubereitung "abfiel", war in Wirklichkeit ein Wertstoff. Es war ein richtiggehender Schock, als sich diese Geschichte im 19. Jh. umdrehte, und der Städter auf einmal für die Beseitigung seiner Abfälle zu zahlen hatte.
Phosphat wird heute in der Landwirtschaft eingebracht, aber in der Stadt verbraucht und dort auch "entsorgt". Und genau diese Entsorgung bereitet Sorgen.
Der Verbrauch von Kunstdünger ergab sich deswegen, weil einmal die einstige Einheit von Ackerbau und Viehzucht wegen der Spezialisierung der Höfe aufgehoben ist. Während einst immer beides auf einem Hof betrieben wurde, das Vieh auf Stroh stand, und somit zur Düngung stroh- und phosphathaltiger Mist wieder ausgestreut wurde, ist diese Symbiose aufgehoben. Die Tiere stehen auf Spaltenböden, Stroh war in den letzten Jahrzehnten bis zur Einführung von Biogasanlagen unerwünscht, das Getreide wurde und wird mit dem Halmverkürzer "CCC" aus der Chlorchemie misshandelt (verboten im Obstbau), um niedriger und standfester zu stehen. In vielen Gegenden wie Niedersachsen fallen also unglaubliche Mengen Dung und Jauche (im Süden: Gülle) an, die Böden und Trinkwasser mit Nitrat und anderen Stoffen vergiften, während der Dung als Phosphatlieferant in anderen Regionen fehlt. Ja, der Irrsinn geht selbst soweit, dass holländische Unternehmen Jauche nach Niedersachsen einführen. Große Teile Hollands leiden deswegen seit Jahrzehnten unter einer akuten Bodenvergiftung. Darüber, was im Amstel-Bier steckt, wollen wir besser nicht spekulieren.
In ganzen Landstrichen wird also nur noch eine der Wirtschaftsformen betrieben, Gegenden mit Ackerbau und Viehzucht sind oft räumlich bedingt durch Relief und Bodenart getrennt, und kein Ackerbauer würde zur Düngung seiner Felder Mist über größere Entfernungen heranschaffen. Das tut er wegen der Kosten schon vom nächsten Dorf nicht mehr. Er greift zum Kunstdünger, insbesondere zu solchem mit Phosphat.
Damit führt der Weg von den Lagerstätten übers Land und über die Nahrungsmittel in die Städte, dort in die Kläranlagen, die Flüsse und schließlich ins Meer, wo der Phosphor, der sich ja in Wasser löst, wegen der riesigen Verdünnung unwiederbringlich verloren ist.
Phosphorhaltige Gewässer leiden unter Algenwachstum, Sauerstoffmangel, bilden Todeszonen. Siehe auch die immerwiederkehrende Algenpest an den Stränden. Dies ist z.B. ein gewaltiges Problem in den französischen Austernzuchtgebieten, weil die Flüsse wegen des intensiven Maisanbaus aus dem Hinterland viel Phospat in die empfindlichen Brackwasserbecken der Austernfischer einschwemmen und die Austern krank werden. Bei uns ruft die Bodenseefischerei nach einer Düngung, um durch vermehrtes Planzenwuchs und Plankton höhere Fänge zu erzielen. Fast vergessen sind bei uns die Riesenschaumberge an den Wehren in den Flüssen, bis das Phospat in den Waschmitteln endlich verboten wurde.
Lagerstätten befinden sich in wenigen Ländern, Tunesien, Marokko, China, die USA ...
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Noch was, à propos "Lebenskraft aus Harn". Da gibt´s ein Buch von Carmen Thomas, das hundertausendfach verkauft worden sein dürfte. Beim Thema Urin in ihrer Talkshow hatte sie ungewollt eine Lawine losgetreten und sammelte allen Mist, der ihr aus der weiblichen Wunderwelt zugetragen wurde, und steckt ihn in ihr Buch. Das muss man sich vorstellen: Tausende von Frauen morgens am Frühstückstisch, die erstmal einen Schluck nehmen, um den Tag zu bestehen.
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Quellen: Die Phosphor Krise